Aus einer Hütte wird eine Gesundheitseinrichtung
Nach fast einem Jahrzehnt des Konflikts im Jemen sind grosse Teile der öffentlichen Infrastruktur des Landes zusammengebrochen. Rund 66 Prozent der Bevölkerung sind dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das jemenitische Gesundheitssystem hat sich verschlechtert, insbesondere in den ländlichen Gebieten. Nur die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen im Jemen ist ganz oder teilweise funktionsfähig, und in vielen dieser Einrichtungen fehlt es nach wie vor an lebensnotwendigen Dingen wie Treibstoff, Wasser und medizinischer Grundausstattung sowie an qualifiziertem medizinischem Personal.
Der Bezirk Al Azariq im Gouvernement Al Dhale’e ist eines der am stärksten betroffenen Gebiete im Süden des Jemen. Für die Menschen hier fühlt sich jeder Tag wie ein Kampf ums Überleben an. Aufgrund unbefestigter Strassen und schwierigem Terrain sind die Dörfer in diesem ländlichen Gebiet schwer zugänglich und somit abgeschnitten von dringend benötigten grundlegenden Gesundheits- und Ernährungsdiensten.
«Wir hatten keine Gesundheitsdienste», sagt einer der Gemeindevorsteher im Dorf Gabal Awas. «Wenn jemand krank war oder Medikamente brauchte, musste er eine Fahrt in die Stadt bezahlen, und die Strassen hier sind sehr gefährlich. Die Fahrt von nur 40 Kilometern dauert etwa drei Stunden, so dass viele Menschen auf dem Weg zu den Gesundheitseinrichtungen in der Stadt ums Leben kamen.»
Im Jahr 2023 errichtete Medair im Dorf Gabal Awas eine Gesundheitseinrichtung. Sie bietet der Bevölkerung eine medizinische Grundversorgung, einschliesslich Routineimpfungen, die Diagnose und Behandlung von Krankheiten und Unterernährung sowie Beratungen zur reproduktiven Gesundheit.
«Ich kann sehen, wie sich der Gesundheitszustand der Kinder in diesem Gebiet verbessert hat, insbesondere im Bereich der Unterernährung. Bevor Medair hier einen Einsatz startete starben viele Kinder an akuter Unterernährung. Die familiären Gewohnheiten und Traditionen sowie die unzureichenden finanziellen Mittel wirkten sich negativ auf die Ernährungsgewohnheiten aus. Seit Medair Aufklärungskampagnen durchführt, wissen die Mütter nun, wie sie ihre Babys richtig ernähren. Auch die Einstellung der Bevölkerung gegenüber Impfungen hat sich geändert. Früher weigerten sich die Menschen aufgrund falscher Informationen, ihre Kinder impfen zu lassen. Es ist ein grosser Erfolg, dass die Eltern jetzt wissen, wie sie ihre Kinder unterstützen können», sagt Nawal, Medair-Assistenzärztin in der Gesundheitsstation in Gabal Awas.
«Ich bin in einer ähnlichen Umgebung wie dem Dorf Gabal Awas geboren und aufgewachsen. Wir waren mit den gleichen Problemen konfrontiert. Wir hatten keine Gesundheitsstation in der Nähe, und wir haben viele Menschen verloren, die dringend auf medizinische Versorgung angewiesen waren. Als ich von diesem Projekt erfuhr, wollte ich sicherstellen, dass es ein Erfolg für die Gemeinschaft wird und investierte dafür viel Zeit und Energie. Es ist ein grossartiges Gefühl, dass jetzt niemand mehr in die Stadt fahren muss, um Medikamente zu kaufen oder eine medizinische Behandlung zu bekommen. Menschen mit dringenden gesundheitlichen Problemen sterben nicht mehr unnötigerweise aufgrund der Entfernung zu ihrer nächsten Gesundheitseinrichtung. Ich bin sehr glücklich, dass ich die Möglichkeit hatte, meinen eigenen Leuten auf eine Art und Weise zu helfen, die langfristige Auswirkungen haben wird», sagt Ayad Saleh, WASH-Assistent bei Medair im Jemen.
«Die Unterstützung von Medair ist für die Gemeinschaften in diesem Gebiet von entscheidender Bedeutung. Dank Ihrer Hilfe haben wir nun ein vollständiges Gesundheitsteam, freiwillige Gesundheitshelfende und eine eigene Gesundheitsstation. Wir würden gerne noch weiter expandieren, denn aus dem ganzen Tal kommen Leute für eine medizinische Versorgung zu uns, weil sie sich keine private Gesundheitsversorgung leisten können. Wir brauchen weiterhin Unterstützung. Der Konflikt im Jemen und die wirtschaftliche Lage des Bezirks haben die Anforderungen an uns erhöht. Deshalb hoffe ich, dass Ihre Unterstützung nie endet», sagt Dr. Rajab Saleh, Leiter der Gesundheitseinrichtung in Gabal Awas.
Die Medair-Dienste im Jemen werden von der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, dem Jemen Humanitarian Fund – Yemen OCHA, World Vision, dem Bureau for Humanitarian Assistance (BHA / USAID) sowie von privaten Spenderinnen und Spendern finanziert.
Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.