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Ein Bericht des Medair-Projektleiters im Tschad

September 18, 2024
von Medair
Tschad
Es ist die Hölle auf Erden, und die Welt schaut einfach weg.

Khadija und ihr Mann waren Bauern im Sudan. Sie bestellten Felder, die genug Ertrag für ihre zehnköpfige Familie lieferten. Ihr Wohnort war nur ein paar Stunden von der Grenze zum Tschad entfernt.

Dann brach der bewaffnete Konflikt aus und alles änderte sich. Khadijas Mann wurde angegriffen und so schwer verletzt, dass er fast gestorben wäre. Khadija hörte, wie die Angreifer darüber diskutierten, ob sie ihn töten sollten. Schlussendlich aber liessen sie ihn am Leben, weil er alt war und sie nicht glaubten, dass er überleben würde. Sobald die Angreifer abgezogen waren, zählte jede Minute. Ohne Zögern setzte Khadija ihren stark blutenden Ehemann auf einen Esel, packte ihre Kinder und floh zur Grenze. Jegliche Besitztümer liessen sie zurück, denn es war schlicht keine Zeit dafür, Hab und Gut einzupacken.

Im Tschad kam die Familie in einem überfüllten Durchgangslager unter. Der Familienvater wurde in ein Krankenhaus gebracht. In der Zwischenzeit baute Khadija gemeinsam mit ihren Kindern eine Grashütte von etwa 2 x 3 Metern als Unterkunft für die Familie. Ein Nachbar im Lager hatte Mitleid mit den Neuankömmlingen und schenkte ihnen eine Matte, auf der sie sitzen und schlafen konnten. Diese Ereignisse liegen nun schon über sechs Monate zurück, doch Khadija stiegen die Tränen in die Augen, als sie sich an diese kleine, aber freundliche Geste erinnerte.  

Die Lebensmittelrationen, die sie erhielten, waren zu wenig für die acht Kinder, sodass die beiden Ältesten, zwei Mädchen, sich Arbeit suchen mussten. Im nahe gelegenen Adre fanden sie eine Anstellung als Ziegelbrenner. Mit dem Einkommen kann sich die Familie zusätzliche Lebensmittel kaufen. Auch das Wasser im Lager ist sehr knapp. An den Ausgabestellen kommt es immer wieder zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den hier lebenden Binnengeflüchteten.  

Heute, sieben Monate nach ihrer Ankunft, ist die Lage immer noch kritisch. Khadija hat bei einer Verteilaktion lediglich ein paar Haushaltsgegenstände erhalten. Ihr Mann ist immer wieder im Krankenhaus und kann nicht arbeiten, da er durch den Angriff arbeitsunfähig geworden ist. Hinzu kommt, dass die Rationen aus der Lebensmittelverteilung immer kleiner werden. Die letzte Ration bestand aus nur 1,5 kg Hirse pro Person. Mit dieser mussten sie einen Monat und 20 Tage auskommen.

Gerne würde Khadija in ein dauerhaftes Lager umziehen. Sie erhofft sich, dass die Bedingungen dort besser sind als hier in diesem Transitlager. Doch bis anhin hat sie noch keine Nachricht über eine Verlegung erhalten. Das Warten dauert weiter an. Mehr als alles andere jedoch wünscht sich Khadija, nach Hause in einen friedlichen Sudan zurückzukehren. Dort hätten ihre Kinder genug zu essen. Aber die Situation im Sudan wird jeden Tag schlimmer. Sie weiss von Männern, die aus Verzweiflung versucht haben, zurückzukehren, um einige ihrer Habseligkeiten wiederzuerlangen, aber die meisten von ihnen sind nicht zurückgekehrt. Augenzeugen berichten, dass sie entweder auf grausame Weise getötet oder an die Front geschickt wurden, um zu kämpfen. Khadijas Familie wird also hier bleiben. Sie haben keine andere Wahl, das ist jetzt ihr Leben.  

Khadija ist nur eine von vielen Binnenvertriebenen, die ihre Geschichte erzählt haben wollen. Es scheint, dass jeder Mensch hier eine solche oder eine noch schlimmere Geschichte hat. Einige Dinge, die sie mir über die Geschehnisse in Darfur erzählt haben, sind so grausam, dass ich sie nicht einmal aufschreiben kann. Es ist die Hölle auf Erden, und die Welt schaut einfach weg.

September 18, 2024
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