Von den Überschwemmungen betroffene Familien in Somalia können wieder hoffen

Die Stärke und das Mitgefühl von Frauen in Somalia
Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate in Somalia zählt zu den höchsten der Welt.
Ayan hatte sieben Kinder, von denen eines bei den Überschwemmungen im vergangenen Jahr ums Leben kam. Ihre Geschichte zeigt die herzzerreissende Realität, mit der somalische Familien nach den sich in diesem Land häufig ereignenden Überschwemmungen konfrontiert sind. Voller Widerstandskraft für ihre Kinder gab Ayan nicht auf. Bei Medair fand sie die Gesundheits- und Ernährungsdienste, die ihre Kinder so dringend benötigten.
"Ich hatte sieben Kinder, aber eines von ihnen ist in den Fluten gestorben", klagt Ayan*, während sie ihrem kranken Sohn Omar* mit Tränen in den Augen zärtlich über den Kopf streichelt. Auch Monate später kann sich die Mutter kaum überwinden, über die Tragödie zu sprechen. Vor etwa einem Jahr verursachten schwere Regenfälle während der so genannten "Deyr"-Regenzeit verheerende Überschwemmungen im Süden Somalias und zwangen die Bäuerin und ihre Familie, wie viele andere auch, aus ihrer Heimat zu fliehen.
"Als die Überschwemmungen begannen, mussten wir unser Leben retten. Wir nahmen die Kinder mit. Mein Bruder half mir. Unser kleiner Bauernhof wurde überflutet, es gab eine Menge Wasser. Wir mussten fliehen und konnten keine unserer Habseligkeiten mitnehmen. Eines meiner jüngeren Kinder unterschätzte die Höhe des Wassers. Sie konnte nicht schwimmen, fiel ins Wasser und starb in den Fluten. Mein Mann liess sich wegen des Vorfalls von mir scheiden. Unter Schock kamen wir in einer informellen Siedlung an, wo wir versuchten, eine Unterkunft zu finden, aber dort gab es bereits viele vertriebene Familien und es war die Cholera ausgebrochen. Also zogen wir in eine andere Siedlung."

Eine von Klimaschocks geprägte Krise
Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Dürren gehören zu den Hauptursachen für die humanitäre Krise in Südsomalia. Über ein Drittel der Landesbevölkerung von 18,7 Millionen wird dieses Jahr humanitäre Hilfe benötigen. Die humanitäre Gemeinschaft ist bestrebt, 5,2 Millionen Menschen mit Hilfe zu erreichen. Dafür werden 1,59 Mrd. USD benötigt, doch bis zum 31. Oktober 2024 waren nur 39,6 % des Betrags finanziert.
"Früher hatten wir bessere Jahreszeiten", fährt Ayan fort. "Wenn es regnete, hatten wir eine Ernte und konnten überleben. Aber die Regenfälle blieben aus und es gab eine lange Dürre. Es war nicht möglich, etwas anzubauen, und ich musste bei anderen Leuten putzen und Wäsche waschen, damit meine Familie überleben konnte. Und jetzt gibt es Überschwemmungen. Wegen dem Wasser mussten wir fliehen und alles zurücklassen.”
Über die gesamte Zeit hinweg übernahm Ayan sowohl die Mutter- als auch die Vaterrolle, ähnlich wie eine alleinerziehende Mutter. Durch die Krisenzeiten hindurch trug sie das Leben ihrer Kinder allein.
Von 2020 bis 2023 führte eine historische Dürre, die durch Klimafaktoren wie "El Niño" noch verschärft wurde, zu erheblichen Verlusten in der Landwirtschaft und Viehzucht. Überschwemmungen verschlimmerten diese Auswirkungen noch: 2,5 Millionen Menschen waren betroffen, Ackerland wurde überschwemmt und wichtige Infrastrukturen wie Sanitäranlagen und Gesundheitseinrichtungen wurden beschädigt.
Unterernährungsraten steigen an
Eine grosse Zahl von Vertriebenen sucht weiterhin Zuflucht in städtischen und stadtnahen Gebieten und verstärkt dadurch den Druck auf die bereits überlasteten Ressourcen. Auch die Ernährungslage hat sich verschärft, denn der Zugang zu Nahrungsmitteln und Gesundheitsdiensten ist vor allem für Vertriebene weiterhin eingeschränkt. Insbesondere Frauen und Kinder sind überdurchschnittlich von Unterernährung betroffen. Die Überschwemmungen haben die Gesundheitslage nun zusätzlich verschärft, weil sie Wasser- und Sanitärbedingungen beschädigt haben und so das Risiko von durch Wasser übertragenen Krankheiten gestiegen ist. Im Süden Somalias sind 1,6 Millionen Kinder von akuter Unterernährung bedroht.
Für Ayans Sohn Omar ist dieses Risiko zu einer lebensbedrohlichen Realität geworden
"Ich habe sechs Kinder ohne Vater. Ich würde alles für sie tun, aber ich brauche Hilfe. Mein Sohn ist unterernährt und krank."
Als Mutter bricht es einem das Herz, das eigene Kind leiden zu sehen, aber wie andere Mütter auch, weigerte sich Ayan, die Hoffnung aufzugeben.
Sie fand Hilfe in einer der Gesundheits- und Ernährungseinrichtungen, die Medair in Südsomalia unterstützt.

Hoffnung inmitten der Krise
Es ist der gemeinschaftsbasierte Ansatz von Medair, der Omar das Leben rettete. Medair arbeitet in den lokalen Gesundheitseinrichtungen und zieht die Gemeinschaften in die Hilfsmassnahmen mit ein. Inzwischen besteht in Somalia ein Netzwerk von über 1 400 geschulten Freiwilligen. Diese besuchen Familien zu Hause, um wesentliche Informationen zu Gesundheit, Ernährung und Hygiene zu vermitteln und Erkrankte an die Gesundheits- und Ernährungseinrichtungen von Medair zu verweisen. Alle 14 Tage besuchen aufsuchende Teams auch abgelegene Gemeinschaften und liefern dringend benötigte Hilfsgüter. Zudem untersuchen sie Frauen und Kinder auf Anzeichen von Unterernährung, sodass Betroffene rechtzeitig eine lebensrettende medizinische Versorgung bekommen können. Zusammen haben diese beiden Ansätze einen grossen Einfluss auf die Verbesserung der Gesundheit der Gemeinschaft und die Nachhaltigkeit der Massnahmen.

In der Ernährungsklinik wurde bei Omar eine schwere akute Unterernährung diagnostiziert und er wurde in das ambulante therapeutische Ernährungsprogramm aufgenommen. In diesem Programm erhalten die Kinder gebrauchsfertige therapeutische Nahrung, die sehr nahrhaft, energiereich und leicht zu verzehren ist. Sie hilft den Kindern, schnell an Gewicht zuzunehmen und ihr Immunsystem wieder aufzubauen, das durch die Unterernährung stark geschwächt wurde. Darüber hinaus wird das Gewicht jedes Kindes regelmässig geprüft und die Eltern oder Betreuungspersonen über gesunde Ernährungspraktiken aufgeklärt. Dies ermöglicht ein frühzeitiges Eingreifen und verhindert eine Verschlimmerung der Krankheit, die zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen kann.

Ayan erzählt:
"Die Dienstleistungen in Ihrer Einrichtung sind kostenlos und ich fühle mich hier sicher. Ich bin zum ersten Mal hier, und ich bin froh, dass ich Hilfe für Omar gefunden habe. Ich bin zuversichtlich, dass sich mein Kind nach der Behandlung vollständig erholen wird. Dies ist meine einzige Chance, Zugang zu medizinischer Versorgung und therapeutischer Nahrung für meinen Sohn zu bekommen."
Wie andere Frauen weltweit, hält Ayan das Leben durch Krisen hindurch aufrecht. Vor allem versucht sie trotz aller möglichen Herausforderungen Lösungen für die Leiden ihrer Kinder zu finden.
Die Mutter erhält nicht nur therapeutische Nahrung, sondern auch kostenlose Medikamente zur Behandlung von Omars milden Erkrankungen. Dankbar und erleichtert verlässt sie die Klinik in dem Wissen, dass ihr jederzeit geholfen wird, wenn sie es braucht.

Diese Unterstützung ist von unschätzbarem Wert für Mütter wie Ayan, die die Stärke und das Mitgefühl verkörpern, die das Leben in Krisenzeiten erhalten. Diese Frauen tun bereits alles, was sie können, um ihre Familien gesund zu halten. Die Gewissheit, dass sie sich bei lebensbedrohlichen Krankheiten auf Medair verlassen können, gibt ihnen ein Gefühl der Erleichterung und der Hoffnung. Die Arbeit von Medair trägt nicht nur dazu bei, Leben zu retten, sondern gibt den Eltern auch die Gewissheit, dass sie nicht allein sind und dass ihre Kinder selbst unter schwierigsten Umständen eine Chance haben, sich gesund zu entwickeln.
Mit Ihrer Unterstützung ermöglichen Sie es Medair, diese lebenswichtigen Dienste den vulnerabelsten Familien anzubieten und Müttern wie Ayan die nötige Unterstützung zu geben, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Vergessen wir diese Frauen nicht, die durch ihr Mitgefühl und ihre Resilienz die wahren Helden sind, die in Krisenzeiten das Leben erhalten.
Die mit * gekennzeichneten Namen wurden aus Sicherheitsgründen geändert.
Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.
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