Der dringende Bedarf an Winterhilfe
"Wir haben schon viele schlaflose Nächte bei Winterstürmen verbracht, in denen meine Familie und ich uns zusammenkauerten und den Sturm abwarteten", sagt Noha.
Wenn der Winter im Libanon Einzug hält, beginnt für viele Menschen der Kampf ums Überleben. Der Libanon steht vor einer humanitären Katastrophe, die durch den jüngsten Konflikt noch verschärft wurde. Das Land beherbergte bereits 1,5 Millionen Geflüchtete, nun sind weitere Tausende Menschen innerhalb des Landes vertrieben worden. Eine immense Belastung der Ressourcen und der Infrastruktur ist die Folge.
Nach der Ankündigung der sechzigtägigen Waffenruhe sind viele Menschen in ihre Heimatorte zurückgekehrt. Einige fanden ihre Häuser jedoch nur noch in Schutt und Asche vor. Viele dieser Familien sind nun in Sammelunterkünften untergebracht. Ihnen ist kalt, denn diese Gebäude sind tendenziell schlecht isoliert. Es mangelt am Nötigsten: warme Kleidung, Decken und Heizungen – für viele sind diese Dinge ein Luxus, den sie sich nicht leisten können.
Für syrische Geflüchtete, die mehrheitlich in Zelten aus Plastikplanen und Sperrholz in überfüllten Siedlungen leben, sind die Bedingungen nach wie vor extrem hart. Bei den Luftangriffen des jüngsten Nahost-Konflikts sind viele Zeltunterkünfte aufgrund der Nähe zu den Zielgebieten in Mitleidenschaft gezogen wurden. Nun sind es die rauen Witterungsbedingungen des Winters, die ihre Unterkünfte zu überschwemmen oder zum Einsturz bringen zu drohen: unablässiger Regen, starker Schneefall und heftiger Wind. Auch die Ausbreitung von Krankheiten wird dadurch begünstigt. Insbesondere ältere Menschen und Kleinkinder sind gefährdet. In diesen informellen Siedlungen bedeutet die kalte Jahreszeit einen täglichen Überlebenskampf.
Noha, 35, ist eine syrische Geflüchtete und lebt allein mit ihren fünf Kindern in einer Siedlung im Nordlibanon, wo die Winter besonders hart sein können. Ihr Haus besteht aus Plastikplanen und Sperrholz, Teile eines alten Containers bilden die Wände der Unterkunft. Vor den Elementen sind sie hier schlecht geschützt.
Jeden Winter aufs Neue wird ihr Haus überschwemmt. Noha und ihre Familie sind der ständigen Gefahr ausgesetzt, dass Teile ihres Hauses aufgrund seiner fragilen Struktur einstürzen. Sie sprach mit unserem Team über ihre Erfahrungen und über die Angst, mit ihrer Familie Winterstürme zu überstehen.
"Wie Sie sehen können, ist die Containerwandstruktur der einzige stabile Teil unseres Hauses. Obwohl sie stabil ist, dringt immer noch Wasser durch die vielen Öffnungen und verursacht Überschwemmungen im Inneren. Wenn es zu einer Überschwemmung kommt, verbringen wir Stunden damit, die Kissen und Matratzen zu trocknen, was manchmal Tage dauern kann, je nachdem, ob die Sonne scheint. Wir haben viele schlaflose Nächte bei Winterstürmen verbracht, in denen meine Familie und ich uns zusammenkauerten und den Sturm abwarteten. Nicht nur der Donner macht uns Angst, sondern der Container knarrt auch laut, wenn sich das Regenwasser ergiesst. Ein anderer Teil unseres Hauses besteht aus Sperrholz und Kunststoffplatten, die im Laufe der Zeit durch die rauen, wechselnden Witterungsbedingungen geschwächt und beschädigt worden sind. Auch das Holz, das die Konstruktion trägt, ist brüchig und instabil und kann jederzeit zusammenbrechen, so dass es für uns nicht sicher ist, dort zu schlafen."
Die langen schlaflosen Nächte als Familie aufgrund der Überschwemmungen sind eine klare Herausforderung. Noha erklärt jedoch, dass die kalte und feuchte Umgebung ein noch grösseres Problem darstellt, weil sie schnell zu Krankheiten führt. Ihr Jüngster leidet bereits an Asthma, und vor allem im Winter macht sie sich ständig Sorgen um die Gesundheit ihrer Kinder, weil sie sich bei den eisigen Bedingungen nicht ausreichend warmhalten können.
"Einige Monate vor dem Wintereinbruch beginne ich mir Sorgen zu machen. Ich weiss, dass er viele Hindernisse mit sich bringt, nicht nur wegen des Zustands unseres Hauses, sondern auch wegen unserer Gesundheit. Wir haben viele kalte Nächte zu überstehen, und viele von uns werden krank. Wenn einer von uns krank ist, mache ich mir Sorgen, weil ich mir die Medikamente, die wir brauchen, nicht leisten kann."
Die derzeitigen Lebensbedingungen stellen für Noha und ihre Familie eine enorme physische als auch psychische Belastung dar. Nohas Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder so wenig wie möglich krank werden und sie sich nicht in Gefahr begeben.
Mit finanzieller Unterstützung des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) konnte das Team von Medair Noha und ihre Familie mit neuen Kunststoffplatten, Sperrholz und Werkzeug ausstatten und sie dabei unterstützen, ihr Haus für den kommenden Winter vorzubereiten. Dank der stabileren Hausstruktur ist die Familie nun viel geschützter und ihre Lebensbedingungen haben sich wesentlich verbessert.
Die Arbeit von Medair im Libanon wird durch Mittel des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR), der Glückskette, der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit über Interaction-CH, des Deutschen Auswärtigen Amts und grosszügiger privater Spenderinnen und Spender ermöglicht.
Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.