5 Min. Lesedauer

Nothilfe in Tambura

March 17, 2025
von Medair
Südsudan
EU-Fördergelder ermöglichen Vertriebenen im Südsudan dringend benötigte Gesundheitsversorgung

Tambura im südsudanesischen Bundesstaat Western Equatoria ist bekannt für seine grünen Landschaften, dichten Wälder und fruchtbaren landwirtschaftlichen Flächen. Hier herrscht ein tropisches Klima, das sich für den Anbau von Pflanzen wie Mais, Maniok und Erdnüssen eignet. Auf den ersten Blick scheint es nicht der Ort für eine humanitäre Notlage zu sein. Doch ein gewaltsamer Konflikt kann schnell alles verändern. Als das Nothilfeteam von Medair die Meldung erhielt, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung durch einen Konflikt unterbrochen worden war, war es fest entschlossen, einzugreifen. Doch schwere Regenfälle während der Regenzeit machten die Strassen unpassierbar und schränkten den Zugang zur Region ein. Um die hilfsbedürftigen Gemeinschaften mit Hilfslieferungen zu erreichen, koordinierte Medair deshalb mit unserem Partner Mission Aviation Fellowship (MAF).

Hilfe per Flugzeug

Wir begleiten unser Nothilfeteam bei der Entgegennahme einer neuen Lieferung von Hilfsgütern, die von unserem Partner MAF transportiert wird. Medair und MAF arbeiten seit über 30 Jahren in Krisenregionen zusammen. Was uns verbindet ist unser christlicher Glaube, der uns dazu anspornt, Menschen in Not zu helfen. Medair ist darauf spezialisiert, Nothilfe in abgelegenen und schwer zugänglichen Gebieten zu leisten. Die Piloten von MAF sind Experten darin, mit ihren speziell ausgerüsteten Flugzeugen Hilfsgüter an eben solche Gebiete zu transportieren und auch an Orten mit schlechter Infrastruktur sicher zu landen.

MAF-Pilot Iisaki bei den letzten Kontrollen vor dem Abflug nach Tambura. © Medair/Stefan Kewitz

Iisaki ist unser Pilot für die Reise nach Tambura. Es war sein Kindheitstraum, Pilot zu werden. Seit Oktober 2023 arbeitet er mit MAF im Südsudan und erzählt:

«Wir sind diejenigen, die denen helfen, die anderen helfen, indem wir Hilfsgüter oder humanitäre Hilfskräfte transportieren. Für mich ist das etwas sehr Schönes. Anderen zu helfen und Flugzeuge zu fliegen, passt für mich perfekt zusammen. Es kann herzzerreissend sein, die Not der Menschen in diesem Land zu sehen. Aber egal, wie wenig wir mitbringen, es kann einen grossen Unterschied für sie machen, und das erfüllt mein Herz mit Freude.»

Pilot Iisaki erfüllte sich seinen Kindheitstraum und wurde Pilot. Seit Oktober 2023 arbeitet er für den Medair-Partner MAF im Südsudan. © Medair/Stefan Kewitz

Heute fliegt er für Medair medizinische Hilfsgüter nach Tambura. Vor allem Schnelltests und Medikamente zur Diagnose und Behandlung von Malaria. Während der Regenzeit sind die weiblichen Anopheles-Mücken, die den oft tödlichen Malariaerreger auf den Menschen übertragen, besonders zahlreich vertreten. Tambura liegt in einem abgelegenen Teil des Landes nahe der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik. Es gibt keinen Flughafen in der Nähe. Doch das Wetter und Iisakis Erfahrung ermöglichen uns eine relativ sanfte Landung auf der Schotterpiste am Rande der Kleinstadt.

Die Lücken füllen

Medair-Manager für Gesundheit und Ernährung Jonathan ist erleichtert, dass unser Flugzeug mit den Gütern sicher gelandet ist.

Jonathan nimmt auf dem Flugfeld in Tambura wichtige medizinische Hilfsgüter wie Malariatests und Medikamente entgegen. © Medair/Stefan Kewitz

Auf dem Weg zur Medair-Klinik erklärt uns Jonathan die Situation vor Ort:  

«Unser Emergency Response Team ist seit sechs Wochen hier. Vor kurzem ist ein gewaltsamer Konflikt zwischen zwei lokalen Gruppen ausgebrochen. Tausende von Familien wurden vertrieben und mehrere Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen wurden zerstört. Die vertriebenen Menschen leben derzeit in informellen Siedlungen, und die Gesundheitsversorgung ist sehr schlecht. Viele sind krank und können keine Hilfe finden. Es mangelt an Medikamenten. Unsere Aufgabe ist es, diese Lücke zu füllen.»

Als wir ankommen, führt uns Jonathan durch die Klinik.

Die St. Mary Primary Health Care Clinic, die vom Medair-Nothilfeteam unterstützt wird. Viele Menschen suchen die Einrichtung auf. © Medair/Stefan Kewitz

Jonathan erläutert:

«Wir behandeln Patientinnen und Patienten aller Altersgruppen. Viele kommen mit Malaria-Symptomen. Sie werden dann getestet und behandelt, wenn sie infiziert sind. In unserer Notaufnahme wird ihr Zustand stabilisiert oder sie werden bei Bedarf in die nächstgelegene grössere Gesundheitseinrichtung verlegt. Unser Team bietet auch vor- und nachgeburtliche Betreuung an und kann die Mütter zur Entbindung in nahe gelegene Krankenhäuser bringen. Wir führen Grundimpfungen für Kinder durch und untersuchen sie auf Unterernährung. Kinder, bei denen eine schwere Unterernährung festgestellt wird, werden zur Behandlung an ein Partner-Ernährungszentrum überwiesen.»

Durch den Konflikt vertrieben

Rachael ist eine der 20 000 Menschen, die vor den Kämpfen zwischen rivalisierenden Gruppen fliehen mussten. Sie wohnt in einem informellen Lager für vertriebene Familien in der Nähe der von Medair unterstützten Gesundheitseinrichtung. Nur eine Plastikplane, die über ein provisorisches Gebilde aus Stöcken gespannt ist, bietet Rachael und ihren neun Kindern etwas Privatsphäre und Schutz vor dem extremen Wetter in Tambura.

Racheal mit ihrer Tochter Emma in ihrer Notunterkunft in einem Camp für Binnenvertriebene in Tambura. © Medair/Stefan Kewitz

Rachael berichtet:

«Ich bin wegen des Konflikts hierher gekommen. Der Feind kam nachts und griff uns an. Sie wollten uns töten. Deshalb haben wir hier Zuflucht gesucht. Es ist sehr ungemütlich für uns, hier zu schlafen. Es ist zu kalt, und wenn es regnet, dringt das Wasser in das Zelt ein. Aber ich habe zu viel Angst, um nach Hause zu gehen. Wir könnten getötet werden.»

Racheal mit ihrer Tochter Emma während einer Vorsorgeuntersuchung mit unserem freiwilligen Gesundheitshelfer Kot in der St. Mary Primary Health Care Clinic, die vom Medair-Nothilfeteam unterstützt wird. © Medair/Stefan Kewitz

Rachael und ihre jüngste Tochter Emma sind krank und suchen Hilfe in unserer Klinik.  

«Es liegt daran, dass wir in der Kälte schlafen», erklärt Rachael. «Deshalb werden wir krank. Mein Baby hat Husten, Durchfall und Erbrechen, und ihr Körper ist heiss. Ich habe starke Kopfschmerzen und Husten, meine Augen sind rot und tränen, wenn ich huste.»

Kostenlose Behandlung für Rachael und Emma

Nach der Untersuchung erhält Rachael kostenlose Medikamente für sich und ihre Tochter. Sie wird gebeten, in ein paar Tagen zur Nachuntersuchung zu kommen, um zu überprüfen, ob die Medikamente Wirkung zeigen.

Pharmazieassistent John weist Racheal in die richtige Einnahme der verschriebenen Medikamente zur Behandlung ihres Hustens ein. © Medair/Stefan Kewitz

Zum Abschied möchte Racheal uns noch folgende Worte mit auf den Weg geben: «Ich weiss, dass Medair hier gute Arbeit leistet. Ihr stellt kostenlose Medikamente zur Verfügung und überweist die Menschen bei schweren Fällen an das nächstgelegene Krankenhaus. Ich bin hierher gekommen, weil diese Klinik die nächstgelegene für mich ist. Wenn die Medikamente nicht kostenlos wären, hätte ich nicht das Geld, sie zu kaufen. Ich bin sehr froh, dass sie kostenlos sind.»

Es sind Momente wie diese, die Jonathan und sein Team motivieren, täglich ihr Bestes für Menschen in Not zu geben, trotz der Herausforderungen, die die Arbeit an abgelegenen Orten mit sich bringt. Jonathan freut sich:

«Es ist grossartig zu sehen, welche positiven Veränderungen wir hier bewirken können. Wir sind so glücklich zu sehen, dass das, was wir geben, den Menschen hilft und von der Gemeinschaft geschätzt wird. Und wir sehen auch, dass sich die Menschen nach der Behandlung besser fühlen. Und das ist sehr wichtig. Das ist sehr ermutigend; wir haben das Gefühl, dass das, was wir anbieten, wirklich einen Unterschied macht.»

Jonathan, Gesundheits- und Ernährungsmanager bei Medair, untersucht eine Frau in der St. Mary Primary Healthcare Clinic in Tambura auf Malaria. © Medair/Stefan Kewitz

Unser Auftrag geht weiter

Der subnationale Konflikt ist eine der Hauptursachen für die humanitäre Krise im Südsudan. Rund neun Millionen Menschen sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen. Inzwischen hat sich die Sicherheitslage in Tambura verbessert und viele Familien sind in ihre Dörfer zurückgekehrt. Unser Team hat vor kurzem die medizinische Versorgung an eine Partnerorganisation übergeben. Das bedeutet, dass der Dienst in Tambura weitergeführt wird und Medair in der Lage ist, sich einer neuen Notsituation an einem anderen Ort im Südsudan zuzuwenden. Wir freuen uns darauf, Sie auf dem Laufenden zu halten und danken Ihnen für Ihre wertvolle Unterstützung.

Dieser Hilfseinsatz des Medair-Nothilfeteams wurde von der Europäischen Union und privaten Spenderinnen und Spendern mitfinanziert.
Medair conducted this intervention as a member of the Emergency Rapid Response Mechanism (ERRM) Consortium in South Sudan.

Über das ERRM Konsortium:

Das von der Europäischen Union kofinanzierte ERRM-Konsortium (Emergency Rapid Response Mechanism) ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Norwegischen Flüchtlingsrat, dem Dänischen Flüchtlingsrat, Medair und Solidarités International sowie nationalen Partnerorganisationen. Das ERRM leistet koordinierte und schnelle lebensrettende Hilfe für die von Krisen betroffenen Gemeinschaften im Südsudan, insbesondere in schwer zugänglichen Gebieten oder in Gebieten mit geringer Präsenz humanitärer Akteure. Die Massnahmen konzentrieren sich auf die kritischen Bedürfnisse in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Schutz, Unterkunft, Wasser, sanitäre Einrichtungen und Bildung.

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

March 17, 2025
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