Den inneren Frieden finden: Psychosoziale Unterstützung in der Ostukraine
Im Medair-Büro in Sumy herrscht reges Treiben, denn das Team für PSS (englische Abkürzung für psychosocial support, zu Dt. psychosoziale Unterstützung) bereitet sich auf einen weiteren Einsatz vor. Material für eine Schulung in der Stadt Ochtyrka zum Thema Stress wird eingepackt und in ein Auto verladen. Doch es geht um mehr als eine Schulung. Unsere Mitarbeitenden möchten einer Gemeinschaft, die im Schatten des Konflikts lebt, Hoffnung zurückgeben.
Ochtyrka liegt etwa anderthalb Stunden von Sumy entfernt. Auf der Fahrt denke ich an die Frauen, die auf uns warten. In einer Region, die sich noch immer von den Folgen des Krieges erholt, ist der Bedarf an psychosozialer Unterstützung immens.
Als wir im örtlichen Kindergarten ankommen, werden wir von lächelnden Teilnehmerinnen begrüsst. Sie haben auf diesen Moment gewartet - eine Gelegenheit, innezuhalten, durchzuatmen und Kontakte zu knüpfen. Einige sitzen still im Hof, unsicher, was sie erwartet, aber begierig, etwas zu lernen.
Anna und Aliesia, unsere Assistentinnen für PSS, beginnen die Sitzung. Sie vereinen Humor und Herz, indem sie komplexe psychologische Konzepte in Alltagssprache herunterbrechen. Während Anna erklärt, wie sich Stress auf den Körper auswirkt, lockert Aliesia die Stimmung mit Witzen und persönlichen Geschichten auf. Die Gruppe übt gemeinsam einfache Atemübungen. Anfangs geht es noch zögerlich zu, doch nach kurzer Zeit ist das Eis gebrochen und die Frauen sind immer begeisterter dabei.
Für einen Grossteil der Gruppe ist es das erste Mal, dass sie an einer solchen Veranstaltung teilnehmen. Hier können sie den harten Alltag für eine Weile hinter sich lassen und sich auf ihre mentale Gesundheit konzentrieren.
"Ich habe es wirklich genossen, heute hierher zu kommen", sagt Iryna, eine der Teilnehmerinnen. "Ich habe nicht nur etwas Nützliches gelernt, sondern auch ein Gefühl der Ruhe verspürt. Bitte kommen Sie wieder!"
Die psychosoziale Unterstützungsarbeit von Medair umfasst sowohl Aufklärungsveranstaltungen als auch Selbsthilfegruppen, die den Teilnehmenden einen geschützten Raum geben, um sich über ihre Erfahrungen und Emotionen austauschen zu können. Für Menschen, die eine intensivere Behandlung benötigen, arbeitet Medair mit UCARE zusammen, einem lokalen Therapeutenteam, das Einzelberatungen anbietet. So kann sichergestellt werden, dass jeder die richtige Unterstützung erhält.
In Charkiw bringt das einzigartige Hausbesuchsprogramm von Medair die Hilfe direkt zu denjenigen, die sie am dringendsten benötigen. Olena, eine ehemalige stellvertretende Schulleiterin, widmet ihr Leben nun der Hilfe für ihre Nachbarn.
"Früher war ich diejenige, die Hilfe erhielt", sagt Olena. "Jetzt bin ich diejenige, die sie gibt. Das ist das beste Gefühl der Welt."
Svitlana, eine 62-jährige Krebspatientin, schätzt die Besuche von Olena sehr. "Wenn ich mit ihr spreche, geht es mir besser", erzählt Svitlana. "Wenn wir uns treffen, kommt mein Interesse am Leben zurück."
Medair bietet durch seine Arbeit nicht nur Unterstützung, sondern gibt den Menschen auch wieder Hoffnung. Für viele Menschen in der Ostukraine sind diese Sitzungen ein Rettungsanker, der ihnen hilft, ihre Kraft wiederzufinden und selbst inmitten der Not Frieden zu finden.